Warum Kinder manchmal beißen – und wie Eltern damit umgehen können
Es ist eine Erfahrung, die viele Eltern kennen: Das eigene Kind beißt in Arme, Beine oder Füße – oft noch bevor es überhaupt den ersten Zahn hat. Für die Betroffenen ist das kein angenehmes Erlebnis, doch das Beißen bei Kleinkindern ist ein ganz normales Verhalten in ihrer Entwicklung.
Kinder erkunden ihre Welt vor allem mit dem Mund. Spielzeug, Sand oder sogar Stuhlbeine werden angenuckelt und in den Mund gesteckt. Dieser Drang ist Teil einer wichtigen Entwicklungsphase, die in der Psychologie als orale Phase bezeichnet wird. Sie beginnt bei den meisten Babys im Alter von etwa drei Monaten und endet meist um den 18. Monat, kann aber auch später auftreten. Während dieser Zeit ist es üblich, dass Kinder alles in den Mund nehmen, was ihnen in die Quere kommt – auch mal den Arm eines Freundes. Das ist kein Grund zur Sorge, sondern ein natürlicher Teil ihres Lernprozesses.
Allerdings unterscheidet sich das Beißen deutlich von anderen kleinen Rangeleien wie Hauen oder Schubsen. Es hinterlässt oft sichtbare Verletzungen und kann dazu führen, dass das Kind schnell ins Abseits gerät. Eltern sind in solchen Momenten häufig ratlos: Wie soll man reagieren? Warum beißen Kinder überhaupt?
Interessanterweise lernen Kinder durch das Beißen auch, dass ihre Handlungen eine Wirkung haben. Sie erkennen, dass sie durch ihr Verhalten Aufmerksamkeit erregen können – sei es durch Reaktionen der anderen Kinder oder der Erwachsenen. Dieses Verhalten kann sich in Gruppen sogar verstärken, weil Kinder das Beißen als Mittel nutzen, um Aufmerksamkeit zu bekommen oder ihre Grenzen auszutesten. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass das Beißen kein Ausdruck von böser Absicht ist, sondern oft ein Versuch, sich mitzuteilen, wenn Worte noch fehlen.
Wenn Kinder noch nicht sprechen können, greifen sie auf ihren Körper zurück, um sich auszudrücken. Das Beißen ist eine schnelle, einfache Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu erlangen oder Gefühle wie Überforderung, Wut oder Frustration zu zeigen. Eltern sollten in solchen Situationen ruhig bleiben und klare Grenzen setzen. Ein kurzes, bestimmtes „Nein“ ist meist ausreichend. Schimpfen oder lange Erklärungen sind wenig hilfreich, da sie das Verhalten nur verstärken können. Stattdessen ist es sinnvoll, das Kind in den Mittelpunkt zu stellen, wenn es beißt, und ihm zu zeigen, dass es andere Wege gibt, Gefühle zu zeigen.
Vorbeugen lässt sich das Beißen, indem man auf die Bedürfnisse des Kindes achtet. Übermüdung, Überforderung oder eine hektische Umgebung können dazu führen, dass Kinder beißen. Eltern sollten also beobachten, wann und wo das Verhalten auftritt, und versuchen, dem Kind Ruhepausen zu gönnen. Auch emotionale Unterstützung ist wichtig: Kinder müssen lernen, ihre Gefühle zu benennen und zu regulieren. Sätze wie „Du bist gerade wütend“ helfen ihnen, ihre Emotionen besser zu verstehen und alternative Wege zu finden, damit umzugehen.
Zeigen Sie Ihrem Kind auch, welche Alternativen es hat: „Du kannst Nein sagen“, „Du kannst weggehen“ oder „Stampf mal feste auf den Boden“. Mit solchen Strategien lernt das Kind, Konflikte anders zu bewältigen, ohne zu beißen. Sobald es seinen Wortschatz erweitert hat, wird es auch besser in der Lage sein, seine Bedürfnisse verbal auszudrücken.
Wenn doch einmal eine Bisswunde entsteht, ist es wichtig, diese im Auge zu behalten. Bei größeren Verletzungen sollte unbedingt ein Arzt aufgesucht werden. Kleinere Wunden können in der Regel gut gereinigt werden, aber bei Unsicherheiten ist der Besuch beim Kinderarzt ratsam.
Insgesamt zeigt sich: Das Beißen ist eine Phase, die vorübergeht, sobald Kinder ihre sprachlichen Fähigkeiten ausbauen und lernen, sich anders auszudrücken. Mit Geduld, Verständnis und klaren Grenzen können Eltern ihren Kindern helfen, diese Phase erfolgreich zu meistern. Und irgendwann lachen alle darüber, wenn der kleine Entdecker gelernt hat, seine Gefühle auf andere Weise zu zeigen.