2. Mai 2024

Symptome eines Narzissten

Die narzisstische Persönlichkeitsstörung zeigt sich laut dem Diagnostischen und Statistischen Manual psychischer Krankheiten (DSM-5) so:

1. Die Person hält sich für grandios wichtig.
2. Sie ist stark eingenommen von Fantasien von Erfolg, Macht und Schönheit.
3. Sie glaubt einzigartig und besonders zu sein und nur von ebenso angesehenen und erfolgreichen Menschen verstanden zu werden.
4. Sie verlangt nach übermäßiger Bewunderung.
5. Sie hegt ständig Ansprüche auf eine Sonderbehandlung.
6. Andere nutzt der Betreffende für seine eigenen Ziele aus.
7. Es fehlt an Empathie: Die Gefühle und Bedürfnisse der Mitmenschen werden nicht gesehen.
8. Die Person ist oft neidisch auf andere oder glaubt umgekehrt, andere neiden ihr ihren Erfolg.
9. Sie benimmt sich arrogant und überheblich.

Für die Diagnose müssen mindestens fünf der neun Kriterien erfüllt sein.

Narzissten sind gesellig, aber unverträglich

Häufig überspielen pathologische Narzissten mit ihrem Größenwahn die Minderwertigkeitsgefühle. Diese Menschen haben kein überladendes Selbstbewusstsein, vielmehr haben sie zwar ein hohen Selbstwert, dieses schwankt allerdings, da es davon abhängt, wie viel Anerkennung sie von anderen bekommen. Durch diese Schwankungen sind sie leichter zu kränken als andere Menschen. Eine abfällige Bemerkung oder auch eine berechtigte Kritik können pathologische Narzissten zum Absturz bringen. Passiert dies, ziehen sie sich nicht traurig zurück, sondern sehen rot. Sie neigen zu Wutausbrüchen und sehen in der Regel keinen Beweggrund, den lieben Frieden zu wahren. In der Psychologie nennt man diesen Charakterzug „sozial unverträglich“. Typischerweise sind Narzissten zudem sehr extrovertiert – das ergibt mitunter eine explosive Mischung.

Woran erkennt man einen Narzissten?

Psychiater sprechen von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung, wenn die Eigenschaften überhand nehmen und das Leben als auch das Umfeld des Betroffenen stark belasten. Durch den Wunsch des Betroffenen nach Bewunderung und Aufmerksamkeit, kann dieser krankhafte Narzissmus zerstörerisch sein.
Sie müssen andere Menschen klein machen um sich selbst wertig und groß zu fühlen. Sie werten Erfolge und Leistungen anderer ab. Mitmenschen werden teilweise schamlos ausgenutzt, da ihre Haltung durch ihre eigenen Ansprüche unfähig macht, die Bedürfnisse anderer zu erkennen. Sie brauchen ständig Komplimente und Anerkennung. Sie stellen sich selbst so hoch, dass jeder andere sich ihnen unterordnen muss.

Wer ist am häufigsten betroffen?

Die narzisstische Persönlichkeitsstörung kommt nicht selten vor. Laut Schätzungen sind bis zu 6 Prozent aller Menschen im Laufe ihres Lebens davon betroffen. Wie alle Persönlichkeitsstörungen zeichnet sie sich schon in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter ab.

Was sind die Ursachen?

Experten haben zur Entstehung des Narzissmus zwei unterschiedliche Theorien:

Die erste Theorie erklärt das großspurige Verhalten mit frühen Kränkungen: Jedes Kind möchte wahrgenommen und anerkannt werden. Wird das Bedürfnis nach Liebe durch die Bezugspersonen missachtet oder stark an Leistung geknüpft, bilde sich der Narzissmus als eine Art Selbstschutz aus.

Die zweite Theorie erklärt das großspurige Verhalten damit, dass spätere Narzissten nach Strich und Faden verwöhnt wurden. Durch die Eltern von jeder Frustration und Enttäuschung abgeschirmt, konnten sie demnach nie ein realistisches Selbstbild entwickeln und hegen auch als Erwachsene noch entsprechende Erwartungen an ihr Umfeld.

Es ist schwieriger weibliche Narzissten zu erkennen

Während Männer die Diagnose mit 7,7 Prozent etwas häufiger erhalten, erhalten Frauen diese lediglich mit 4,8 Prozent. Woran könnte dies liegen? Zum einen vermutlich an den Geschlechterklischees: Bei einem Narzissten denken die meisten an einen Mann. Auch Psychiater und Psychotherapeuten haben eher dieses Bild im Kopf und lassen sich manchmal davon leiten.

Zudem zeigen neuere Forschung: Narzissmus äußert sich bei Frauen häufig anders. Dadurch werden Narzisstinnen vermutlich häufiger übersehen. Neben dem grandiosen Narzissmus kennen Psychiater nämlich auch einen sogenannten vulnerablen Typ. Frauen neigen laut Studien eher zu letzterem. Sie halten sich dann zwar ebenfalls insgeheim für etwas ganz Besonderes und erwarten eine Sonderbehandlung, sind dabei aber introvertiert.

„Betroffene wirken eher ängstlich und depressiv. Anders als beim grandiosen Narzissmus gehen vulnerable Narzissten ihre Mitmenschen nicht offen aggressiv an und werten sie nicht ab“, sagt Claas-Hinrich Lammers, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Asklepios Klinik Nord in Ochsenzoll. Sie seien eher in sich gekehrt und neurotisch, so der Psychiater. „Gemeinsam haben beide Typen neben der sozialen Unverträglichkeit ihre Größenfantasien, die Selbstbezogenheit und die hohe Anspruchshaltung“.

Methodische Probleme bei der Überprüfbarkeit

Das Problem: Solche Hypothesen lassen sich wissenschaftlich nur schwer überprüfen. Die Forscher müssen sich dabei auf die Kindheitserinnerungen erwachsener Betroffener verlassen. Und diese sind je nach empfinden subjektiv und ungenau. Die Befragung der Betroffenen ergab: Frühe traumatische Erfahrungen tragen offenbar zur Entstehung der vulnerablen Form des Narzissmus bei, nicht aber zum grandiosen Typ. Wegen der methodischen Probleme sollte man diese Befunde aber nur als Hinweise werten.

Untersuchungen an angepassten Gesunden mit narzisstischen Zügen sprechen eher für die erste Theorie. Sie wurden früher offenbar übermäßig gelobt und bewundert. Die Ursache für den grandiosen Narzissmus als Persönlichkeitsstörung scheint dies jedoch eher nicht zu sein, so der bisherige Stand.

Das Verhalten der Eltern spielt beim Narzissmus wohl eine geringere Rolle, als man meinen könnte. Vielmehr legt das angeborene Temperament den Grundstein für unser Wesen. „Der genetische Anteil an der Entstehung von Persönlichkeitsstörungen wird gemeinhin unterschätzt. Bei der narzisstischen Persönlichkeit kann man davon ausgehen, dass sie etwa zu 50 Prozent erblich bedingt ist“, erklärt Claas-Hinrich Lammers. Damit ist sie eine der am stärksten genetisch bedingten Persönlichkeitsstörungen.

Was kann man dagegen tun?

Da der Betroffene selbst in der Regel blind ist in seiner Situation, leidet häufig das Umfeld an dem Problem. Als betroffene Person ist man in der Regel blind für sein Problem und sieht somit auch keinen Handlungsbedarf.
Da Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung ein höheres Risiko tragen eine Depression zu entwickeln, bleibt die narzisstische Persönlichkeitsstörung nicht immer unentdeckt.

In der Regel begeben sich Narzissten mit Suizidgedanken in psychiatrische Behandlung. Frei dem Motto: „Hochmut kommt vor dem Fall“ – kommt nach dem langen Höhenflug nicht selten der Totalabsturz. Auslöser kann eine Kündigung oder eine Trennung sein, welche vom Narzissten als eine Niederlage empfunden wird. Diese stürzt den Narzissten oftmals in eine schwere psychische Krise, wobei sich der Betroffene sich selbst des Narzissmus nicht bewusst ist.

Große Fortschritten mit Psychotherapie

Die Psychotherapie hat in den letzten Jahren große Fortschritte in der Behandlung von Persönlichkeitsstörungen gemacht. Vielen kann mittlerweile geholfen werden. Patient und Therapeut arbeiten dafür an den Schwierigkeiten im Umgang mit anderen, der gestörten Selbstwahrnehmung und den Problemen bei der Impulskontrolle, die sich oft in Wutausbrüchen zeigen.

„Als Therapeut muss man an die verletzliche Seite des Narzissten herankommen, die er zu verbergen versucht“, sagt Claas-Hinrich Lammers. Betroffene können so lernen, wie man eigene Bedürfnisse auf sozial akzeptierte Weise kommuniziert, Gefühle ausdrückt und sich besser in andere Menschen hineinversetzt. „Lässt sich der Patient darauf ein, hat er gute Chancen, auf lange Sicht etwas zu verändern“, so der Psychiater.

Allerdings: Es gibt kaum Studien dazu, welche Art der Therapie bei Narzissten am besten wirkt und wie groß die Erfolgsquote ist. Weil die meisten sich nie Hilfe suchen, haben Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen Probleme, ausreichend große Stichproben zu bilden. Und: Narzissten brechen die Therapie häufiger als andere Patienten vorzeitig ab. Durch die geringe Einsicht in die eigenen Probleme sind Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung teils wenig motiviert, an sich zu arbeiten.

Wie geht man mit Narzissten um?

Der oberflächliche Charme, der von Narzissten ausgeht, nutzt sich schnell ab. Das zeigte sich in einem Experiment eines Forschungsteams um Marius Leckelt von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Dabei trafen sich 300 Studierende über drei Wochen regelmäßig in Kleingruppen zum Arbeiten und Diskutieren. Nach jedem Treffen berichteten sie den Forschenden, wie sympathisch sie ihre neuen Bekanntschaften fanden. Waren die Kommilitonen mit deutlich narzisstischen Zügen zu Beginn noch beliebt, verlor sich die Begeisterung von Termin zu Termin.

Behutsamer Umgang in der richtigen Form

Der Umgang mit narzisstischen Kollegen und Verwandten gleicht oft einem Eiertanz. Denn sie sind enorm empfindlich. Kritik sollte man deshalb immer vorsichtig verpacken und möglichst präzise und in Ich-Botschaften formulieren. Etwa: „Ich leide darunter, wenn du zu spät kommst“ oder „Ich fände es schön, wenn du mich aussprechen lassen würdest“. So stellt man nur ein konkretes Verhalten infrage und nicht die ganze Person.

Wichtig ist zu erkennen: Man kann den anderen nicht ändern. Stattdessen sollte man seine eigenen Grenzen wahren, wachsam gegenüber Manipulationsversuchen sein und auf Abstand gehen, wenn es zu viel wird. Hat man keine Möglichkeit, der Situation zu entgehen, hilft ein paradoxer Tipp: das Ego des Narzissten füttern. Mit Lob und Schmeicheleien stimmt man das Gegenüber friedlich. Das mag schwerfallen – viel lieber würde man dem Egomanen mal richtig die Meinung geigen. Damit macht man sich aber nur zur Zielscheibe narzisstischer Wut.

Kann man mit einem Narzissten zusammen sein?

„Das hängt ganz von der eigenen Leidensfähigkeit ab“, urteilt Claas-Hinrich Lammers. Da sich der Partner dem Narzissten unterwerfen müsse, landeten oft unsichere und wenig selbstbewusste Menschen in solchen Beziehungen. Die sind typischerweise von Demütigungen und Wutanfällen geprägt.

Kompromissbereite und selbstbewusste Haltung hilft

Neben gemeinsamen Kindern, emotionalen und finanziellen Abhängigkeiten hält oft vor allem eins die Beziehung am Leben: Die Hoffnung, den Narzissten doch noch ändern zu können. „Das wird bei einem echten Narzissten aber nicht funktionieren“, stellt Lammers klar. Emotionale Appelle prallen an Narzissten ab. Streit und Vorwürfe führen nicht selten zum Eklat. Was bleibt, ist laut Lammers eine möglichst selbstbewusste, aber rationale und kompromissbereite Haltung dem narzisstischen Partner gegenüber.

Zwar verdienen auch Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung Liebe und Zuneigung. Aber durch ihre massiven Schwierigkeiten im Umgang mit anderen lässt sich laut Lammers oft keine für beide Seiten erfüllende Partnerschaft erreichen: „Trennung ist dann eine valide Option.“

Quellenangaben:

  • Miller, Joshua D., et al.: „Controversies in narcissism.“ Annual Review of Clinical Psychology 13 (2017): 291–315. (PDF)
  • Stinson, Frederick S., et al.: Prevalence, correlates, disability, and comorbidity of DSM-IV narcissistic personality disorder: results from the wave 2 national epidemiologic survey on alcohol and related conditions. (The Journal of clinical psychiatry, 2008)
  • Lammers, Claas-Hinrich, and Stephan Doering: „Narzissmus und die narzisstische Persönlichkeitsstörung.“ PSYCH up2date 12.04 (2018): 331—345.
  • Grijalva, E. et al.: Gender differences in narcissism: A meta-analytic review. (Psychological Bulletin, 2015)
  • Kaufman, S. B. et al.: Clinical correlates of vulnerable and grandiose narcissism: A personality perspective. (Journal of Personality Disorders, 2020)
  • Lammers, C.-H.: Die vulnerable Seite des Narzissmus. PTT – Persönlichkeitsstörungen (Theorie und Therapie, 2019)
  • Lelord, Francois, Christophe André: „Der ganz normale Wahnsinn.“ Vom Umgang mit schwierigen Menschen, Berlin: Kiepenheuer (2016).
  • Lammers, Claas-Hinrich (Asklepios Klinik Nord-Ochsenzoll)